Interview mit dem IKF-Dozenten Rolf Specht
IKF: Herr Dr. Rolf Specht, Sie sind als Berater, Trainer und Coach in den Bereichen der Kommunikationspsychologie und Leadership unterwegs und haben Lehraufträge an diversen Hochschulen, unter anderem am IKF. Bei uns am IKF unterrichten Sie in den beiden CAS Organisationsentwicklung & Change Leadership und CAS New Leadership - persönlich digital agil über transformationales Leadership, Führungstechniken und –praxis. Können Sie gleich zu Beginn das Geheimnis lüften, was eine erfolgreiche Führungsperson ausmacht? Oder aber auch welche Führungsqualitäten in der heutigen Zeit besonders gefragt sind?
Rolf Specht: In den 30 Jahren, die ich jetzt als Leadership Coach unterwegs bin, ist mir immer klarer geworden, dass die Persönlichkeit der entscheidende Faktor ist, ob jemand eine erfolgreiche Führungskraft wird oder nicht. Dabei geht es keineswegs um Perfektion. Eine Führungskraft braucht kein Jesus-Profil zu haben; viel entscheidender ist, dass sie als ein Mensch wahrgenommen wird, die sich dem Leben stellt, die willens ist, ein Leben lang lernend unterwegs zu sein, dabei Menschen zu mögen, sie respektvoll zu behandeln, in ihren Stärken zu starken und nach Kräften zu fördern. Dann lassen sich Mitarbeitende auch gerne fordern.
IKF: Bemerkten Sie in den letzten Jahren Veränderungen bezüglich der Anforderungen an eine Führungspersönlichkeit?
Rolf Specht: Ich sehe da mehrere Bewegungen parallel laufen. Führen auf Distanz wird immer wichtiger, da immer häufiger Teammitglieder gar nicht mehr in Sichtweite arbeiten, sondern vielleicht an einem anderen Standort sind oder Homeoffice machen. Auch Führen ohne Weisungsbefugnis wird in Projekten immer wichtiger (und es wird viel häufiger als früher in Experten-Teams gearbeitet). Auch das Stichwort Agiles Arbeiten beschäftigt viele Führungskräfte: Muss man agile Teams auch agil führen? Im Moment werden viele alternative Organisationsformen ausprobiert – mit durchaus unterschiedlichem Erfolg (Stichwort Holacracy). Nach meiner Erfahrung arbeiten die meisten dieser Modelle mit einem zu stark idealisierten Menschenbild. Aber wir werden sehen, welche sich bewähren und in welchen Zusammenhängen – und welche nicht.
Bei der Digitalisierung sehe ich die Hauptherausforderung im Moment eher darin, dass es für Mitarbeitende immer schwieriger wird, im Daten- und Informationswust überhaupt noch die richtigen Informationen herauszufiltern.
Unter dem Strich bedeutet das für mich: Die Führungskräfte müssen, noch mehr als bisher, genau wissen, was sie wollen, klare Ziele setzen, klare Erwartungen formulieren, klar wissen, wie sie sich durchsetzen können, damit die Ziele erreicht werden. Die Anforderungen an echte Führungsarbeit (durchaus als Handwerk zu verstehen) sind eher noch gewachsen und eine echte Herausforderung für Führungskräfte von heute.
IKF: Sie sind spezialisiert in Kommunikationspsychologie und Leadership-Themen. Inwiefern bringt das Wissen im Bereich der Kommunikationspsychologie einen Mehrgewinn im Leadership?
Rolf Specht: Manager managen Dinge, Führungskräfte führen Menschen, also Individuen, die durchaus unterschiedliche Ziele, Interessen, Bedürfnisse, Motive haben. Je besser ich einen Menschen kenne als Führungskraft, desto leichter wird es mir fallen, ihn dazu zu bewegen, freiwillig sein Bestes im Arbeitsalltag einzubringen. Menschenkenntnis und Empathie hilft dabei. Und da Führungskräfte hauptsächlich über Kommunikation führen, ist es wichtig, gut kommunizieren zu können. Dabei helfen Kenntnisse aus der Kommunikationspsychologie ungemein.
IKF: Im CAS Organisationsentwicklung & Change Leadership lehren Sie über Soft Power Techniken. Was darf man sich darunter vorstellen und wem empfehlen Sie es besonders, diese Techniken zu erlernen?
Rolf Specht: Soft Power-Techniken ist ein etwas veralteter Begriff und meint im Grunde nichts anderes, als an Stelle von hard power (reine Machtausübung) auf Techniken zu setzen, die darauf abzielen, Menschen für ein Vorhaben oder für Ziele zu gewinnen. Das gelingt nach meiner Erfahrung dann am besten, wenn zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden eine tragfähige Vertrauensbeziehung besteht. Da es immer schwieriger wird, jungen gut ausgebildeten (Generation Y und Z) Mitarbeitenden irgendetwas einfach zu befehlen, ist es klar, dass die Beherrschung von Soft Power-Techniken für Führungskräfte sehr wichtig ist.
IKF: Auch der Umgang mit Widerstand & Konflikten wird im CAS thematisiert. Sie sind erfahrener Coach, Mediator und Konfliktmanager. Können Sie erkennen und benennen wodurch im beruflichen Umfeld die meisten unwirksamen Konflikte entstehen?
Rolf Specht: Die soziale Funktion von Konflikten ist es, über die darin freigesetzte Emotion dafür zu sorgen, dass die Divergenzen zwischen Menschen (Interessen, Ziele, Bedürfnisse, Werte) in geordneter Weise angesprochen werden können: «Der Fisch muss auf den Tisch – und zwar frisch». «Unwirksame» Konflikte – ich nehme an, Sie meinen damit destruktiv eskalierende Konflikte – entstehen da, wo die beteiligten Personen solche Divergenzen oder solches konfliktäres Potential nicht rechtzeitig wahrnehmen und oder den Mut nicht haben, sie anzusprechen. Einigung ist immer eine Folge von aufgearbeiteter Uneinigkeit. In Gang kommen destruktive Konflikte hauptsächlich, weil und wenn es nicht gelingt, sich manchen eher etwas verpönten Gefühlen zu stellen: Neid, Missgunst, Eifersucht, Unterlegenheit, Ohnmacht, Angst vor Gesichtsverlust, um nur einige zu nennen.
IKF: Im CAS Organisationsentwicklung & Change Leadership werden unter anderem «Motivationsfaktoren» thematisiert. Was braucht es, um als (zukünftige) Führungspersönlichkeit sich selbst und Mitarbeitende erfolgreich motivieren zu können?
Rolf Specht: Folgt man Reinhard Sprenger, so ist es fast unmöglich, jemanden nachhaltig extrinsisch zu motivieren. Das heisst: Letztlich kann sich jeder nur selber motivieren. Leider ist es aber ausserordentlich leicht, sich selber oder andere nachhaltig zu demotiveren, zum Thema Demotivatoren gibt es lange Listen. Entscheidend für die Motivation sind wohl in jedem Fall klare und erstrebenswerte Ziele.
IKF: Ein wenig Internet-Recherche und man findet heraus, dass Sie in einer grossen Familie Zuhause sind. Unterscheidet sich die Kommunikation und vor allem auch das Konfliktmanagement in der Familie stark vom Vorgehen im professionellen Umfeld?
Rolf Specht: Als Vater von 5 Jungs (zwischen 14 und 28) und von 5 Mädels (zwischen 1 und 11) erlebe ich zu Hause natürlich täglich Konflikte – einerseits zwischen den Kindern (hier gilt die Devise: möglichst nicht eingreifen) und andererseits zwischen Eltern und Kindern. Ich wende da die genau gleichen Prinzipien und Verfahren an wie in der beruflichen Arbeit – falls ich rechtzeitig daran denke, was mir keineswegs immer gelingt.
IKF: Herzlichen Dank für Ihre spannenden Antworten, Herr Specht!